Min-Jae Kim bei der SSC Neapel: Der beste Innenverteidiger der Welt

Von Nino Duit
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Die SSC Neapel verfügt nicht nur über eine begeisternde Offensive, sondern auch über eine der sichersten Defensiv-Abteilungen Europas. Hauptgrund dafür ist Min-Jae Kim - für seinen Trainer "der beste Innenverteidiger der Welt".

Eintracht Frankfurt muss im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen die SSC Neapel am Mittwoch ein 0:2 aufholen. Was bei diesem Unterfangen Hoffnung macht? Schwierig. Die Eintracht ist ziemlich außer Form, dazu fehlt wegen des umstrittenen Fan-Ausschlusses die ansonsten stets frenetische Unterstützung von den Rängen. Womöglich aber am problematischsten: Der Gegner hat aktuell keine offensichtlichen Schwächen.

Man kann lediglich darüber streiten, was denn nun die größte Stärke des souveränen Serie-A-Tabellenführers ist: Die Offensive oder die Defensive? Am meisten Lob bekommen wohl die beiden spektakulären Angreifer: Wolfsburg-Flop Victor Osimhen, der fast ein Tor pro Spiel schießt, und Khvicha Kvaratskhelia, der die meisten dieser Tore vorbereitet und von den Fans in den Rang des Kvaradona erhoben wurde.

Nicht minder beeindruckend ist aber die Defensiv-Abteilung: In 26 Serie-A-Spielen kassierte Napoli lediglich 16 Gegentore, in Europas Top-Fünf-Ligen unterbietet diesen Wert einzig der FC Barcelona. Hauptverantwortlich für Napolis Bollwerk ist ein 26-jähriger Südkoreaner namens Min-Jae Kim. 1,90 Meter groß, 90 Kilogramm schwer, Spitzname "Monster".

"Er ist im Moment der beste Innenverteidiger der Welt", lobte Trainer Luciano Spalletti nach dem Sieg gegen Atalanta Bergamo am Wochenende, Kim hatte wieder einmal geglänzt. "Er macht pro Spiel mindestens 20 unglaubliche Dinge. Wenn er mit dem Ball am Fuß losläuft, ist er innerhalb von fünf Sekunden im gegnerischen Strafraum."

Auch bei Napolis 2:0-Hinspielsieg in Frankfurt vor drei Wochen zeigte Kim seine ganze Klasse, damals erzielte er in praktisch jeder relevanten Statistik den Bestwert: Kim gewann die meisten Zweikämpfe, eroberte die meisten Bälle, verzeichnete die meisten Ballkontakte. In Italien geht das schon seit Monaten so - und das ist aus mehreren Gründen ziemlich überraschend.

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Min-Jae Kims Ankunft in Neapel: Große Fußstapfen und Skepsis

Kim musste in Neapel im vergangenen Sommer ein großes Erbe antreten, galt es doch den jahrelangen Abwehrchef Kalidou Koulibaly zu ersetzen. Der 31-jährige Koulibaly war für 38 Millionen Euro zum FC Chelsea gewechselt, Kim bei seinem Transfer von Fenerbahce sechs Jahre jünger und nicht einmal halb so teuer. Empfangen wurde er in Neapel mit reichlich Skepsis. "Wenn sie ihn holen, suche ich mir einen anderen Job", tönte Salvatore Bagni kurz vor der Verpflichtung. Napolis ehemaliger Mittelfeldspieler ist als Experte tätig, trotz seiner Ankündigung immer noch.

Zu Koulibalys großen Fußstapfen und der generellen Skepsis kam der Umstand, dass sich zugereiste Verteidiger im Mutterland des Defensiv-Fußballs traditionell zunächst schwer tun. Bestes Beispiel: Matthijs de Ligt. Trotz seines unbestrittenen Talents brauchte der Niederländer bei Juventus Turin viel Anlaufzeit, beim FC Bayern München fand er sich deutlich schneller zurecht.

Anders als de Ligt und entgegen aller Prognosen schlug Kim in Italien direkt voll ein: Seit seiner Ankunft ist er gesetzt, im September wurde er in der Serie A zum Spieler des Monats gewählt. Insgesamt verpasste Kim im Laufe dieser Saison in Liga und Champions League erst 149 Spielminuten. Beim 2:0-Sieg am Wochenende gegen Atalanta musste er in der Schlussphase zwar wegen Wadenproblemen vorzeitig runter, wird gegen Frankfurt laut Spalletti aber "zu 100 Prozent beginnen".

Warum Min-Jae Kim an Ji-Sung Park erinnert

Bei dieser Entwicklung fragt man sich ja schon: Wo hat sich der aktuell vermeintlich "beste Innenverteidiger der Welt" eigentlich bis zum vergangenen Sommer versteckt? In seinem Heimatland Südkorea galt Kim schon früh als großes Talent. Regelmäßig kam er in diversen U-Nationalmannschaften zum Einsatz. Teile seiner fußballerischen Ausbildung genoss er an der Akademie der Suwon Technical High School, wo einst auch Ji-Sung Park kickte.

Es ist nicht die einzige Parallele ihrer Karrieren: Auch Park gelang der große Durchbruch in Europa verhältnismäßig spät. Nach Zwischenschritten in Japan und bei der PSV Eindhoven landete er im Alter von 24 Jahren bei Manchester United, wo er später die Champions League gewann. Kim verließ seine Heimat mit 22 zum chinesischen Erstligisten Beijing Guoan. Dort spielte er zweieinhalb Jahre, bis es Guoan aufgrund finanzieller Probleme mit pünktlichen Gehaltszahlungen nicht mehr so genau nahm.

Interesse an einer Verpflichtung hatte damals angeblich auch RB Leipzig, den Zuschlag bekam letztlich aber Fenerbahce. Kim kam für drei Millionen, nach einer Saison zog er für 18 Millionen nach Neapel weiter. Seine zwischenzeitliche Heimat hat Kim nicht vergessen: In Folge des verheerenden Erdbebens in der Türkei spendete er neulich 75.000 Euro an die Opfer.

Im kommenden Sommer bewegt sich für ihn womöglich eine deutlich größere Summe: Kims Vertrag verfügt dem Vernehmen nach über eine festgeschriebene Ablösesumme in Höhe von etwa 48 Millionen Euro für ausländische Klubs, unter anderem gilt Parks Ex-Klub Manchester United als interessiert.